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Gesetzliche Grundlagen

Müssen Dokumente verpflichtend barrierefrei sein?

Justitia steht vor einem Monitor, der ein Dokument zeigt

Wenn öffentliche Stellen Dokumente auf ihren Webseiten und mobilen Anwendungen (Apps) veröffentlichen, müssen diese barrierefrei sein. Aber welche Regelungen verpflichten öffentliche Stellen eigentlich zur Barrierefreiheit von Dokumenten? Was ist aus rechtlicher Sicht überhaupt unter einem Dokument zu verstehen? Mit diesem Artikel geben wir Ihnen einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen in Sachsen-Anhalt.

Die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Dokumenten ist Teil der gesetzlichen Regelungen zur Barrierefreiheit von Webseiten und Apps. Webseiten im Sinne des Gesetzes sind auch Intranet- und Extranetseiten. Darin veröffentlichte Dokumente müssen daher auch barrierefrei sein.

Die rechtliche Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Webseiten und Apps ergibt sich in Sachsen-Anhalt aus:

  • Paragraf 16 und 16a Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt (BGG LSA) und
  • Paragraf 10 und 11 Behindertengleichstellungsverordnung Sachsen-Anhalt (BGGVO LSA).

Verpflichtet sind alle öffentlichen Stellen im Sinne des BGG LSA. Was genau unter einer „öffentlichen Stelle“ im Sinne dieses Gesetzes zu verstehen ist, haben wir für Sie zusammengefasst. Die Einzelheiten dazu erklären wir auf der Seite über die gesetzlichen Grundlagen der Barrierefreiheit von Webseiten.

Welche Bedeutung hat die EU-Richtlinie über die Barrierefreiheit von Webseiten und Apps öffentlicher Stellen?

Mit den Vorschriften im BGG LSA und der BGGVO LSA setzt das Land Sachsen-Anhalt eine Richtlinie der Europäischen Union (EU) um. Es handelt sich um die EU-Richtlinie mit der Nummer 2016/2102. Der vollständige Name der Richtlinie lautet: „Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen“.

Richtlinien der Europäischen Union haben keine unmittelbare Gesetzeskraft. Die Mitgliedsstaaten müssen sie noch umsetzen, damit sie im Mitgliedsstaat rechtswirksam werden.

Das BGG LSA und die BGGVO LSA verweisen an verschiedenen Stellen auf die EU-Richtlinie. Nur wenn eine solche Verweisung erfolgt, sind öffentliche Stellen verpflichtet, die EU-Richtlinie in Sachsen-Anhalt umzusetzen. Sind die Vorschriften des BGG LSA und der BGGVO LSA nicht eindeutig genug, sind die Vorgaben der EU-Richtlinie 2016/2102 ergänzend heranzuziehen.

Was ist ein Dokument im Sinne der Richtlinie?

Dokumente werden im Zusammenhang mit der barrierefreien Gestaltung von Webseiten und Apps weder im BGG LSA noch in der BGGVO LSA ausdrücklich genannt. Erwähnt werden sie aber in der EU-Richtlinie 2016/2102. Die Richtlinie enthält zwar keine detaillierte Definition des Dokumentenbegriffs. Sie erklärt aber mit Hilfe allgemein bekannter Typen von Dokumenten und klassischer Bürovorgänge, was ein Dokument ist.

Die Richtlinie versteht unter Dokumenten Dateiformate aus Büroanwendungen, die von einer Webseite oder App heruntergeladen werden können.

Als Beispiele für solche Dateiformate werden

  • PDF-Dateien,
  • Dokumente aus Microsoft Office Anwendungen oder
  • gleichwertige Formate genannt.

Dokumente sind daher zum Beispiel auch Präsentationsfolien.

Wann ist ein Dokument nach dem Gesetz barrierefrei?

Nach dem Gesetz ist ein Dokument barrierefrei, wenn es wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet ist. Das steht in Paragraf 16a Absatz 1 Satz 1 BGG LSA und Paragraf 11 Absatz 1 Satz 2 BGGVO LSA. Aber wann erfüllt ein Dokument diese Anforderungen? Das ist gesetzlich nicht leicht verständlich geregelt.

Nach dem Gesetz wird die Barrierefreiheit eines Dokuments vermutet, wenn es den Anforderungen einer bestimmten Norm entspricht. Diese Norm muss im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sein. Das steht in Paragraf 11 Absatz 2 BGGVO LSA.

Mit dieser Regelung werden vor allem 2 Ziele verfolgt:

  1. Rechtssicherheit in der praktischen Anwendung: Öffentliche Stellen können davon ausgehen, die gesetzlichen Anforderungen erfüllt zu haben, wenn das Dokument den Anforderungen der im Amtsblatt der EU veröffentlichten Norm entspricht.
  2. Zulassung anderer Lösungen: eine gleichwertige wahrnehmbare, bedienbare, verständliche und robuste Gestaltung kann gegebenenfalls auch erreicht werden, ohne die Anforderungen der im Amtsblatt der EU veröffentlichten Norm einzuhalten.

Die Europäische Kommission hat im Amtsblatt der EU die Europäische Norm (EN) 301 549 in der Version 3.2.1 aus dem März 2021 veröffentlicht. Die Norm trägt den Titel „Barrierefreiheitsanforderungen für IKT-Produkte und -Dienstleistungen“. Die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt erfolgte aufgrund des Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission mit der Nummer 2021/1339.

Müssen alle Dokumente auf Webseiten und Apps barrierefrei sein?

Grundsätzlich müssen alle Dokumente, die auf Webseiten und Apps veröffentlicht werden, barrierefrei sein. Es gibt aber 2 Ausnahmen:

  1. Dokumente, die die öffentliche Stelle vor dem 23. September 2018 veröffentlicht hat. Sie müssen nur dann barrierefrei gestaltet werden, wenn sie für ein aktives Verwaltungsverfahren der öffentlichen Stelle erforderlich sind. Das steht in Paragraf 16 Absatz 3 BGG LSA in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe a) der EU-Richtlinie 2016/2102.
  2. Bei unverhältnismäßiger Belastung der öffentlichen Stelle. Wann eine unverhältnismäßige Belastung vorliegt, richtet sich nach den Kriterien des Artikel 5 der EU-Richtlinie 2016/2102. Das steht in Paragraf 16a Absatz 4 BGG LSA.

Die öffentliche Stelle muss prüfen, ob ein Dokument nach einem der beiden Ausnahmegründe nicht barrierefrei gestaltet werden muss. Vor allem bei der Ausnahme wegen einer unverhältnismäßigen Belastung kann sich das Ergebnis der Beurteilung mit der Zeit ändern.
Nicht barrierefrei gestaltete Dokumente sind in der Erklärung zur Barrierefreiheit anzugeben. Der Eintrag erfolgt unter „Nicht barrierefreie Inhalte“ und dem einschlägigen Ausnahmegrund. Dort kann zum Beispiel angegeben werden, dass nicht barrierefreie Dokumente als solche gekennzeichnet sind. Was eine Erklärung zur Barrierefreiheit ist, erläutern wir Ihnen im Artikel „Erstellungshilfe für die Erklärung zur Barrierefreiheit“.

Öffentliche Stellen des Bundes in Sachsen-Anhalt

Für öffentliche Stellen des Bundes in Sachsen-Anhalt gelten das BGG LSA und die BGGVO LSA nicht. Öffentliche Stellen des Bundes sind nach dem Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BGG) und der Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung des Bundes (BITV 2.0) zur barrierefreien Gestaltung verpflichtet.

Öffentliche Stellen des Bundes in Sachsen-Anhalt sind zum Beispiel:

  • das Umweltbundesamt,
  • die Kulturstiftung des Bundes und
  • JobCenter in der Rechtsform der gemeinsamen Einrichtung von Bundesagentur für Arbeit und einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt.

Öffentliche Stellen des Bundes erhalten weitere Informationen über barrierefreie PDF-Dokumente auf der Webseite der Bundesfachstelle Barrierefreiheit (externer Link öffnet in neuem Fenster).

Typische Fragen

Müssen Dokumente, die per E-Mail verschickt werden, barrierefrei sein?

Grundsätzlich nein. Öffentliche Stellen im Sinne des BGG LSA müssen Dokumente nur dann barrierefrei gestalten, wenn sie auf Webseiten oder Apps veröffentlicht werden.

Durch Paragraf 15 Absatz 2 Satz 1 BGG LSA wird blinden und sehbehinderten Menschen ein besonderes Recht eingeräumt. In einem Verwaltungsverfahren müssen ihnen Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke in für sie wahrnehmbarer Form zugänglich gemacht werden. Die Bereitstellung in den entsprechenden Formen muss für das Wahrnehmen der eigenen Rechte erforderlich sein. Dabei dürfen den Betroffenen keine zusätzlichen Kosten entstehen. Dann kann das Versenden eines barrierefreien Dokuments per E-Mail in Betracht kommen.

Grundsätzlich ja. Sie können in unveränderter Form erneut auf der Webseite der öffentlichen Stelle veröffentlicht werden. Sie fallen unter Paragraf 16 Absatz 3 BGG LSA in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe a) EU-Richtlinie 2016/2102 und müssen daher nicht barrierefrei gestaltet werden.

Dies gilt nicht, wenn die Dokumente

  • für aktive Verwaltungsverfahren der öffentlichen Stelle erforderlich sind oder
  • inhaltlich bearbeitet und erst danach wieder veröffentlicht werden.

Nein. Allein mit einer Kennzeichnung des Dokuments als „nicht barrierefrei“ wird die gesetzliche Verpflichtung nicht erfüllt. Dokumente dürfen nur dann in nicht barrierefreier Form auf Webseiten und Apps veröffentlicht werden, wenn auf sie einer der beiden Ausnahmegründe zutrifft. Dann ist es sinnvoll, sie als „nicht barrierefrei“ zu kennzeichnen.

Nein. Es gibt in Sachsen-Anhalt keine Verpflichtung, Dokumente auch in Leichter Sprache zu veröffentlichen. Die Träger der öffentlichen Verwaltung sollen vermehrt Informationen in Leichter Sprache zur Verfügung stellen. Das steht in Paragraf 15 Absatz 5 BGG LSA. Wer Träger der öffentlichen Verwaltung im Sinne des BGG LSA sind, steht in Paragraf 7 Absatz 1 BGG LSA (externer Link öffnet in neuem Fenster).

Eine Sonderregel gilt im Sozialverwaltungsverfahren für die Sozialverwaltungsbehörden Sachsen-Anhalts. Sie können verpflichtet sein, Menschen mit geistigen oder seelischen Behinderungen Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke in Leichter Sprache zu erläutern. Das steht in Paragraf 19 Absatz 1a Sozialgesetzbuch 10 (externer Link öffnet in neuem Fenster) in Verbindung mit Paragraf 11 BGG (Bund) (externer Link öffnet in neuem Fenster).

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