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Öffentlich zugängliche Gebäude: Einschränkungen der Pflicht zur Barrierefreiheit
Grenzen der Pflicht, öffentlich zugängliche Gebäude barrierefrei zu bauen

Die Pflicht, öffentlich zugängliche Bereiche von Gebäuden barrierefrei zu bauen, ist in 2 Gesetzen geregelt: im Behindertengleichstellungsgesetz und in der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt. In gesetzlich eng begrenzten Fällen ist die Pflicht zur barrierefreien Gestaltung eingeschränkt. Diese Einschränkungen erläutern wir Ihnen in diesem Artikel.
Eine Einschränkung der Pflicht zur barrierefreien Gestaltung besteht nach der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauO LSA) in den folgenden 3 Fällen:
- soweit die barrierefreie Gestaltung nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden könnte,
- wenn die Bauaufsichtsbehörde bei sogenannten Sonderbauten eine Erleichterung von den Anforderungen der Barrierefreiheit gestattet und
- wenn die Bauaufsichtsbehörde eine Abweichung von den Anforderungen der Barrierefreiheit zulässt.
Bei der Regelung im Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt (BGG LSA) handelt es sich um eine sogenannte „Soll-Vorschrift“. Das bedeutet, dass sie in dem vom Gesetz gemeinten typischen Regelfällen angewendet werden muss.
Allgemein gilt: eine Einschränkung berechtigt so gut wie nie dazu, von den Belangen der Barrierefreiheit vollständig abzusehen. Lediglich der Umfang der Verpflichtung zur Barrierefreiheit wird herabgesetzt.
Einschränkung der Pflicht bei unverhältnismäßigem Mehraufwand
Die Einschränkung der Pflicht zur barrierefreien Gestaltung bei einem unverhältnismäßigem Mehraufwand ist von den 3 nach der BauO LSA zulässigen Einschränkungen die praktisch bedeutsamste.
Die Einschränkung gilt nur für die Maßnahmen, die unverhältnismäßig sind. Zum Beispiel kann der Einbau eines Aufzuges zu einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung führen. Diese Mehrbelastung hat aber keine Auswirkungen auf erforderliche Türbreiten, kontrastreiche Gestaltungen, Bewegungsflächen und alle weiteren Anforderungen der Barrierefreiheit. Diese Anforderungen wären im Beispielsfall zu erfüllen. Nur der Aufzug selbst wäre nicht einzubauen.
Keine Einschränkung wegen eines unverhältnismäßigen Mehraufwands bei bestimmten Bauvorhaben
Eine Einschränkung von den Anforderungen der Barrierefreiheit wegen eines unverhältnismäßigen Mehraufwandes ist bei einigen Bauvorhaben aufgrund einer entsprechenden Regelung im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen:
- bei einem Neubau von Schulen und Kindertagesstätten sowie
- bei allen Baumaßnahmen an baulichen Anlagen, die überwiegend von Menschen mit Behinderungen oder älteren Menschen genutzt werden
Wann ist ein Mehraufwand unverhältnismäßig?
Um festzustellen, ob eine unverhältnismäßige Mehrbelastung vorliegt, müssen Kosten und Nutzen der barrierefreien Gestaltung abgewogen werden. Erhaltene Fördermittel senken die Kosten. Eine mit der barrierefreien Gestaltung verbundene Wertsteigerung der baulichen Anlage ist den Kosten gegenüber zu stellen. Je größer die Bausumme ist, umso seltener kann eine Ausnahme begründet werden. Eine Ausnahme wird auch dann eher nicht anzunehmen sein, je mehr Menschen mit einem Bedarf an Barrierefreiheit die bauliche Anlage nutzen werden. Das können neben Menschen mit Behinderungen auch weitere Personengruppen sein.
Grob gesagt liegt ein unverhältnismäßiger Mehraufwand dann vor, wenn die gesamten Kosten des Bauvorhabens aufgrund der Barrierefreiheit um 20 Prozent steigen. Hierzu sind die gesamten Baukosten mit und ohne Barrierefreiheit zu vergleichen. Liegen die Mehrkosten unter 20 Prozent, ist normalerweise nicht von einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung auszugehen. Den Mehrkosten muss allerdings auch der Nachteil gegenübergestellt werden, den Menschen aufgrund der fehlenden Barrierefreiheit erleiden würden.
Letztlich sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Das Gesetz will seltene Härtefälle vermeiden. Im Zweifel ist die Einschränkung wegen einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung eng auszulegen. In der Praxis dürfte eine Unverhältnismäßigkeit am ehesten bei Um- oder Erweiterungsbauten eine Rolle spielen. Bei einem Neubau liegen die Mehrkosten der Barrierefreiheit meist zwischen 1 und 5 Prozent.
Unverhältnismäßig ist nur ein Mehraufwand, der auf einer von 4 Ursachen beruht
Nur die folgenden 4 Umstände können einen unverhältnismäßigen Mehraufwand begründen:
- schwierige Geländeverhältnisse,
- der Einbau eines sonst nicht erforderlichen Aufzugs,
- eine ungünstige vorhandene Bebauung,
- die Sicherheit der Menschen mit Behinderungen.
Ist ein Mehraufwand durch andere Ursachen als den eben angeführten 4 Gründen ausgelöst worden, bewertet der Landtag von Sachsen-Anhalt einen Mehraufwand nicht als unverhältnismäßig.
Nachprüfbare Begründung der Einschränkung in den Bauvorlagen
Ob ein unverhältnismäßiger Mehraufwand besteht und inwiefern dieser die Pflicht zur Barrierefreiheit einschränkt, ist in jedem Fall in den Bauunterlagen nachprüfbar zu begründen. Das gilt nicht nur, wenn ein Antrag auf Genehmigung des Bauvorhabens gestellt werden muss. Das gilt auch, wenn das Bauvorhaben von einem Baugenehmigungsverfahren freigestellt ist. Zu begründen ist nicht die barrierefreie Gestaltung. Sie wird vom Gesetz als Normalfall vorausgesetzt. Können die Bauunterlagen die Voraussetzungen nicht belegen, sind die Vorgaben zur Barrierefreiheit einzuhalten. Vor Gericht scheitert der Hinweis auf eine Unverhältnismäßigkeit immer wieder an unzureichenden Belegen.
Gestattung von Erleichterungen und Zulassung von Abweichungen
Bei Sonderbauten kann der Bauantrag auch eine sogenannte Erleichterung in Bezug auf die Barrierefreiheit enthalten. Die Bauaufsichtsbehörde kann an Sonderbauten aber auch weitergehende Anforderungen stellen. Solche besonderen Anforderungen können unter anderem die Barrierefreiheit und die Bauvorlagen betreffen. So ist es möglich, dass die Bauaufsichtsbehörde als Teil der einzureichenden Bauvorlagen ein gesondertes Barrierefreiheitskonzept verlangt. Sonderbauten sind Gebäude, bei denen aufgrund ihrer Größe oder dem Zweck, für den sie bestimmt sind, besondere Gefahren entstehen können.
Schließlich kann in Betracht kommen, bei der Bauaufsichtsbehörde zu beantragen, von der gesetzlichen Pflicht zur Barrierefreiheit abweichen zu dürfen.
Die Pflicht zur Barrierefreiheit wird nur in dem Umfang eingeschränkt, in dem die Bauaufsichtsbehörde einem Antrag auf Abweichung zustimmt.
Welche Ausnahmen von der Pflicht zur barrierefreien Gestaltung bestehen nach dem Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt?
Öffentlich zugängliche Bereiche von Gebäuden dürften ausnahmslos zu den vom BGG LSA erfassten typischen Bauvorhaben gehören. Anders kann dies zum Beispiel bei einigen Arbeitsbereichen sein – etwa Laboren. Die Arbeitsbereiche werden von der Verpflichtung zur Barrierefreiheit im BGG LSA ebenfalls erfasst. Sie sind aber meistens nicht öffentlich zugänglich.
In Bezug auf die öffentlich zugänglichen Bereiche von Gebäuden der Träger der öffentlichen Verwaltung besteht eine Einschränkung daher meistens nur dann, wenn die vollständige Anwendung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand führen würde. Die allgemein anerkannten Regeln der Technik sind dann nur in dem Umfang anzuwenden, wie es noch verhältnismäßig ist.
Weitere Informationen
Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt
- Zu den Ausnahmen der Barrierefreiheit öffentlich zugänglicher Gebäude:
Paragraf 49 Absatz 2a und 3 Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (externer Link öffnet in neuem Fenster) - Zu besonderen Anforderungen und Erleichterungen der Barrierefreiheit bei Sonderbauten:
Paragraf 50 Satz 3 Nummer 16 Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (externer Link öffnet in neuem Fenster) - Abweichungsantrag:
Paragraf 66 Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (externer Link öffnet in neuem Fenster)
Ihr Ansprechpartner

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