Bauen

Gesetzliche Grundlagen

Gesetze in Sachsen-Anhalt zur Barrierefreiheit öffentlich zugänglicher Gebäude

technische Zeichnung mit Lineal, Stiften und Taschenrechner

Die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt ist das zentrale Regelwerk für Anforderungen an die Barrierefreiheit öffentlich zugänglicher Gebäude. Für sogenannte „Träger der öffentlichen Verwaltung“ gilt eine zusätzliche Regelung im Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt. In diesem Artikel werden beide Regelungen vorgestellt und erläutert.

Die grundlegende Regelung zur Barrierefreiheit öffentlich zugänglicher Gebäude findet sich in der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt. Diese gilt auch für die „Träger der öffentlichen Verwaltung“. Das sind unter anderem Ministerien, Landesämter, Gemeinden und Hochschulen. Für alle „Träger der öffentlichen Verwaltung“ gilt ergänzend eine Regelung im Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt. Wann ein Gebäude öffentlich zugänglich ist, erklärt der Artikel über öffentlich zugängliche Gebäude.

Was regelt die Bauordnung?

Die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt legt fest, dass öffentlich zugängliche Bereiche von Gebäuden grundsätzlich barrierefrei zu gestalten sind. Kein Grundsatz ohne Ausnahme: In gesetzlich eng begrenzten Fällen wird diese Verpflichtung eingeschränkt. Mit der Ausnahme werden Sondersituationen erfasst. Dies betrifft Situationen, in denen Aufwand und Nutzen einer barrierefreien Gestaltung in einem krassen Missverhältnis stehen würden.

Die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung besteht:

  • bei einer Errichtung eines Gebäudes, zum Beispiel bei einem Neubau;
  • bei einer baulichen Änderung eines bestehenden Gebäudes. Instandhaltungsmaßnahmen zählen nicht zu baulichen Änderungen. Beispiele für Änderungen können das Vergrößern von Räumen durch das Entfernen von tragenden Wänden sein. Aber auch der Einbau von Gauben im Dach zur besseren Belichtung wäre ein Beispiel;
  • wenn das Gebäude oder Teile davon zu einem anderen Zweck genutzt werden als bisher. Dies ist eine sogenannte Nutzungsänderung. Beispiele wären eine Scheune, die zu einem Wohnhaus umgebaut wird oder eine Wohnung, die als Physiotherapiepraxis genutzt wird.

Grundsatz der Bauordnung

Die öffentlich zugänglichen Bereiche von Gebäuden sind grundsätzlich barrierefrei zu gestalten. In einem Einkaufscenter müssen zum Beispiel alle Läden und natürlich auch die Wege dorthin barrierefrei sein. Befindet sich in dem Gebäude zusätzlich die Verwaltung des Einkaufscenters, dann muss dieser Bereich nicht barrierefrei gestaltet werden. Die Arbeitsbereiche zählen nicht zu den öffentlich zugänglichen Bereichen.

Nach der Bauordnung reicht es aus, wenn die Barrierefreiheit in dem erforderlichen Umfang hergestellt wird. Das gilt zum Beispiel für öffentlich zugängliche Besprechungsräume und die Anzahl an rollstuhlgerechten Sitzplätzen in Kinos. Das gilt aber auch für Toilettenräume und notwendige Parkplätze. Dadurch muss zum Beispiel nicht jede Sanitäranlage barrierefrei sein. Erforderlich dürfte aber sein, auf Etagen mit öffentlich zugänglichen Bereichen eine barrierefreie Sanitäranlage vorzusehen.

Beherbergungsstätten- und Versammlungsstättenverordnung

Die Beherbergungsstättenverordnung und die Versammlungsstättenverordnung legen die Anzahl barrierefreier Toiletten und Stellplätze gesetzlich fest. Sie enthalten darüber hinaus weitere Regelungen. Dazu gehören Bestimmungen, um in Notfällen alle Gäste sowie Besucher und Besucherinnen retten zu können. Dazu gehören selbstverständlich auch Menschen mit Behinderungen. Beherbergungsstätten sind zum Beispiel Hotels und Pensionen. Ferienwohnungen zählen nicht dazu. Zu den Versammlungsstätten gehören Konzerthallen, Messegebäude und Stadien sowie große Festräume in Gaststätten.

Rechtsgrundlagen

Welche Anforderungen der Barrierefreiheit sind umzusetzen?

Was konkret zu tun ist, um Barrierefreiheit herzustellen, ist den „Technischen Baubestimmungen“ zu entnehmen. Die „Technischen Baubestimmungen“ legen unter anderem fest, wie breit Türen sein müssen und welcher Kontrast bei Treppen einzuhalten ist. Die „Technischen Baubestimmungen“ verweisen dazu auf bestehende Regelwerke – auch Normen genannt. Normen zum Planen von barrierefreien, öffentlich zugänglichen Gebäuden werden vom Deutschen Institut für Normung herausgegeben. Die in Sachsen-Anhalt geltenden „Technischen Baubestimmungen“ stimmen größtenteils mit dieser Norm überein. Allerdings sind einige Anforderungen aus der Norm nicht in die „Technischen Baubestimmungen“ übernommen worden. Näheres zu der Norm können Sie in dem Artikel Normen und Richtlinien nachlesen.

Welche Ausnahme von der Pflicht zur barrierefreien Gestaltung besteht?

Die Pflicht zur barrierefreien Gestaltung besteht nicht, soweit sie nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden könnte. Dabei muss der unverhältnismäßige Mehraufwand auf einem gesetzlich vorgesehenem Grund beruhen. Folgende 4 Umstände können einen unverhältnismäßigen Mehraufwand begründen:

  • schwierige Geländeverhältnisse,
  • der Einbau eines sonst nicht erforderlichen Aufzugs,
  • eine ungünstige vorhandene Bebauung,
  • die Sicherheit der Menschen mit Behinderungen.

Auch wenn einer dieser Gründe vorliegt, darf so gut wie nie von den Belangen der Barrierefreiheit vollständig abgesehen werden. Die Ausnahme gilt nur für die Maßnahmen, die unverhältnismäßig sind. Zum Bespiel kann der Einbau eines Aufzuges zu einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung führen. Diese Mehrbelastung hat aber keine Auswirkungen auf erforderliche Türbreiten, kontrastreiche Gestaltungen, Bewegungsflächen und alle weiteren Anforderungen der Barrierefreiheit. Diese Anforderungen wären in dem Beispielsfall zu erfüllen. Nur der Aufzug selbst wäre nicht einzubauen.

Wann liegt ein unverhältnismäßiger Mehraufwand vor?

Um festzustellen, ob eine unverhältnismäßige Mehrbelastung vorliegt, müssen Kosten und Nutzen der barrierefreien Gestaltung abgewogen werden. Je größer die Bausumme ist, umso seltener ist eine Ausnahme begründbar. Sie wird eher anzunehmen sein, je geringer der Vorteil ist, der durch die barrierefreie Nutzbarkeit erlangt wird. Insofern ist die Höhe der Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, dass Menschen mit einem Bedarf an Barrierefreiheit die bauliche Anlage nutzen werden. Das können neben Menschen mit Behinderungen auch weitere Personengruppen sein. Begründungsbedürftig ist aber nicht die barrierefreie Gestaltung. Sie wird vom Gesetz als Normalfall vorausgesetzt. Begründungsbedürftig ist die Ausnahme.

Grob gesagt liegt ein unverhältnismäßiger Mehraufwand dann vor, wenn die gesamten Kosten des Bauvorhabens aufgrund der Barrierefreiheit um 20 Prozent steigen. Hierzu sind die gesamten Baukosten mit und ohne Barrierefreiheit zu vergleichen. Liegen die Mehrkosten unter 20 Prozent, ist normalerweise nicht von einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung auszugehen. Den Mehrkosten muss allerdings auch der Nachteil gegenübergestellt werden, den Menschen aufgrund der fehlenden Barrierefreiheit erleiden würden.

Letztlich sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Das Gesetz will seltene Härtefälle vermeiden. Im Zweifel ist die Ausnahme wegen einer unverhältnismäßigen Mehrbelastung eng auszulegen. In der Praxis dürfte eine Unverhältnismäßigkeit am ehesten bei Um- oder Erweiterungsbauten oder bei Nutzungsänderungen eine Rolle spielen. Bei einem Neubau liegen die Mehrkosten der Barrierefreiheit soweit bekannt zwischen 1 und 5 Prozent. In Neubauten von Schulen und Kindertagesstätten muss die Barrierefreiheit vollständig umgesetzt werden. Das Gesetz schließt eine Einschränkung wegen eines unverhältnismäßigen Mehraufwandes bei einem Neubau dieser Gebäude ausdrücklich aus.

Muss ein Antrag gestellt werden, um von der Ausnahme Gebrauch zu machen?

Liegt eine Unverhältnismäßigkeit vor, muss ein Antrag für eine Ausnahme nicht gestellt werden. Allerdings müssen alle erforderlichen Voraussetzungen in einem notwendigen Bauantrag belegt werden. Können sie das nicht, sind die Vorgaben zur Barrierefreiheit einzuhalten. Vor Gericht scheitert der Hinweis auf eine Unverhältnismäßigkeit immer wieder an unzureichenden Belegen. Ein gesonderter Antrag kommt nur dann in Betracht, wenn aus anderen Gründen von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung abgesehen werden soll. In diesem Fall müsste ein Abweichungsantrag gestellt werden.

Bei Sonderbauten kann der Bauantrag auch eine sogenannte Erleichterung in Bezug auf die Barrierefreiheit enthalten. Sonderbauten sind Gebäude, bei denen aufgrund ihrer Größe oder dem Zweck, für den sie bestimmt sind, besondere Gefahren entstehen können. Erleichterungen sind dann nicht möglich, soweit an anderer Stelle bereits abschließende Regelungen getroffen wurden. Zu diesen Sonderregelungen gehören zum Beispiel die Beherbergungsstättenverordnung und die Versammlungsstättenverordnung.

Sonderregelung für Träger der öffentlichen Verwaltung

Für die Träger der öffentlichen Verwaltung besteht eine ergänzende Regelung im Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt (BGG LSA). Träger der öffentlichen Verwaltung sollen ihre Neu-, Um- und Erweiterungsbauten entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestalten.

Für öffentlich zugängliche Bereiche von Gebäuden dürfte folgendes gelten:

Die Verpflichtung verlangt eine Umsetzung der anerkannten Regeln der Technik. Die anerkannten Regeln der Technik können über die baurechtlich eingeführten „Technischen Baubestimmungen“ hinausgehen. So ist zum Beispiel die Norm zur Planung der Barrierefreiheit öffentlich zugänglicher Gebäude in Sachsen-Anhalt nicht vollständig als Technische Baubestimmung eingeführt worden. Bei der Norm handelt es sich um die DIN 18040-1:2010-10 Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude. Sie dürfte eine anerkannte Regel der Technik sein und wäre dann von den Trägern der öffentlichen Verwaltung vollständig anzuwenden.

Anders als die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt kennt die Regelung keine Beschränkung auf den für die Nutzung erforderlichen Umfang. Die DIN 18040-1 sieht zum Beispiel vor, dass jede Sanitäranlage eine barrierefreie Toilette vorhalten muss (Nummer 5.3.3). Wird die Anzahl weiterer barrierefreier Einrichtungen gesetzlich geregelt, gilt die gesetzliche Festlegung des Umfangs aber auch für die Träger der öffentlichen Verwaltung. Dies betrifft zum Beispiel Stellplätze.

Bei der Regelung im BGG LSA handelt es sich um eine sogenannte „Soll-Vorschrift“. Das bedeutet, dass sie in dem vom Gesetz gemeinten typischen Regelfällen angewendet werden muss. In untypischen Situationen gilt das nur eingeschränkt. Öffentlich zugängliche Bereiche von Gebäuden dürften aber ausnahmslos zu den vom Gesetz erfassten typischen Bauvorhaben gehören. Anders kann dies zum Beispiel bei einigen nicht öffentlich zugänglichen Arbeitsbereichen sein – etwa Laboren. Die Arbeitsbereiche werden von der Regelung im BGG LSA allerdings ebenfalls erfasst. Eine Einschränkung besteht auch, wenn die vollständige Anwendung der anerkannten Regeln der Technik zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand führen würde. Die anerkannten Regeln der Technik sind dann nur in dem Umfang anzuwenden, wie es noch verhältnismäßig ist.

Rechtsgrundlagen:

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